… einfach Natur pur erleben –
So schön es war die letzten Tage ein paar Leute kennenzulernen, den Einsiedler Gerald und andere Overlander vorallem, so schön ist es jetzt auch wieder was in der Natur zu erleben. Heute starten wir mal früh auf der Carretera Austral nordwärts. Wir tauchen ein in nebeligen Regenwald. Die unbefestigte Straße ist gesäumt von riesigen Rarbarbarblättern oder so ähnlich. Der einsetzende Regen passt wunderbar ins Bild. Nicht so die verrückten Fahrradfahrer. An solchen Tagen, auf solchen Wegen kann es einfach kein Spaß machen. Für uns wäre das nix, sind wir uns einig. Auf längeren Strecken hören wir häufig Hörbücher. Aktuell lauschen wir Dietmar Wunder mit „Das Kartell“ von Don Winslow. Es geht um den Drogenkrieg in Mexico und passt gerade super zur Umgebung.
Am Bosque Encantado stoppen wir und laufen einen dicht bewachsenen Pfad durch Regenwald. Hinter jeder Kurve könnte man meinen auf eine Waldfee oder Kobold zu treffen und wir hoffen nur, dass sich keine Schlange von den Bäumen oder aus den Bächen schlängelt.
Nach einer halben Stunde lichtet sich der verzauberte Wald und das Ziel ist schon sichtbar, eine kleine halbkreisförmige Bergkette mit Gletschereis in der Mitte und einem Wasserfall. Wir überqueren über Steine den Fluss, laufen durch Gestrüpp noch ein gutes Stück bergauf und erreichen schließlich die kleine, blau schimmernde Lagune, von wo aus man den ganzen Wasserfall sieht. Ein lohnenswerter Trail mit attraktivem Ziel und nur 3h insgesamt. Das hat uns gut gefallen.
Leider schaffen wir es jetzt nicht mehr durch die Baustelle, die von 13-17 Uhr die Carretera sperrt, um Felsen zu sprengen, die Straße zu verbreitern und schließlich zu asphaltieren. Wir lassen uns viel Zeit mit Essen. Als Timm Luft aus den Reifen lassen will, weil es jetzt ein ganzes Stück auf unbefestigter Straße weitergeht, müssen wir erschreckend feststellen, dass die Kompressortasche und vieles andere in der linken Sitzbank nass ist. Wir räumen sie aus und entdecken den Wasserschaden, der vom Wassertankfach herrührt, wo das Wasser sogar fingerhoch drin steht. Ach du dicke Scheiße! Das Elektronikfach ist zum Glück trocken. Ist jetzt der Tank kaputt durch das ganze Gewackel und Rumgeschüttel auf den Pisten hier? Marie hält den Tank eh für die schwächste Stelle am Camper, hält es aber trotzdem nicht für unwahrscheinlich, dass Otto beim Wasserbefüllen was daneben gegangen ist. Timm streitet ab. „Ok, vielleicht ein bisschen, aber auf keinen Fall so viel.“ So gut es geht, versuchen wir alles zu trocknen. Als die nächsten Tage kein Wasser nachläuft, steht fest, dass mal wieder ein Otto am Werk war und der Tank heile ist. Wir passieren die Baustelle und biegen zum Hauptteil des Nationalpark Queulat. Eintritt zwischen 8:00 und 17:33 Uhr. Komisch, aber gut für uns, denn es ist 17:29 Uhr. Als Timm die Tickets kaufen will, sagt die Rangerin aber, es geht nicht mehr; die Erklärung versteht er nicht. Wir überlegen kurz, ob es sich lohnt, bis morgen zu warten oder lieber noch ein paar Meter zu machen, um irgendwie die Zeit zu nutzen, schlafen dann aber in der Nähe mit Blick auf Meer und Fjörde.
Der Trail zum Ventisquero Colgante dauert 2,5 Stunden, ist fast 7km lang und laut Angabe mittel-schwer. Ähnlich wie gestern führt er durch Regenwald mit Farn, Bambus und Lianen, aber ist nicht so dicht und damit heller. Ab und zu sieht man rechts den türkis-milchigen Fluss durch die Blätter scheinen, sonst ist der Weg er unspektakulär und doch auch anstrengend. Wir rasen aber auch da hoch, sind in unter 60 Minuten schon am Ziel, einer Aussichtsplattform mit Blick auf Gletscher, Wasserfall und Fluss. Naja, irgendwie nichts Neues.
Lange haben wir hin und her überlegt, wie und wo wir weiterfahren. Nächstes Ziel wäre eigentlich Futaleufu, der Ort für 1a World Class Rafting mit Stromschnellen der Stufe 4 und 5, dann hoch zum Vulkan Chaitén und mit Hilfe von drei Fähren die Carretera bei Puerto Montt beenden. Da wir nicht bei schlechtem Wetter raften wollen und die Fähren ganz schön teuer sind, disponieren wir um. Über Puyuhuapi bis nach La Junta folgen wir der Ruta 7 und biegen dahinter ab, um am Lago Rosselot zu campen. Ein toller Spot, See, Wald, Berge, Gletscher. Ein Hund kommt an und setzt sich vor unsere Tür, während wir kochen. Chinesisch erscheint mir nicht das Richtige für ihn zu sein, aber er ist auch von einer Streicheleinheit und ein paar Reiskräckern sehr beglückt. Er wirkt verschüchtert und ohne zu Hause, weswegen wir ihm, als es anfängt zu regnen, anbieten im Camper zu schlafen, was er sich aber nicht traut. Am Morgen regnet es immer noch und als ich nach dem Hund pfeife, kommt er doch tatsächlich unterm Auto hervor. Jetzt tut er mir so richtig leid. Ich koche ihm ne ordentliche Portion Nudeln und taufe ihn „Lago“. Lago ist sehr brav, scheint gut erzogen, bellt kein einziges Mal und kriegt eine Erektion, wenn ich ihn streichele. Vielleicht wurde er geschlagen? Das würde seine gebückte, unterwürfige Haltung erklären. Ich will ihn mitnehmen. Wir haben keinen Platz im Auto. Er könnte bei meinen Füßen sitzen. In Nationalparks sind Hunde verboten. Wir könnten ihn bei anderen Hundebesitzern abgeben. An den Grenzen gibt es Stress wegen Papieren. Wir würden ihn davor rauslassen und dahinter wieder rein; machen andere auch. Timm mag Lago auch. Marie hätte ihn einfach eingepackt und es wäre schon irgendwie geworden, Timm ist zu vernünftig, auch wenn ihm der Gedanke daran eine Hund als Begleitung auf der Reise zu haben, gefällt.
Schweren Herzens verabschieden wir uns von Lago, der uns noch eine Weile hinterher läuft und fahren zurück nach La Junta um zu tanken. Dort entscheiden wir die 70 Kilometer nach Raúl Marín Balmaceda rauszufahren. Es klart auf. Idyllisch hier, zu Beginn ein paar Bauernhöfe, später nur noch Natur. Nach 60 km endet der Schotterweg an einem Fluss ohne Brücke. Dafür fährt eine kostenlose Fähre, deren Verkehrszeiten in La Junta mit 8:30-12 und 14-18:30 Uhr angegeben waren. Daraus machen die hier dann, 8, 12, 14 und 18 Uhr. Es ist 14:27 und gegenüber rollt das letzte Auto von der Fähre runter. Damn it!
Endlich auf der anderen Seite fahren wir durch das kleine Dorf durch und einen engen, bewachsenen, nicht enden wollende Sandweg bis ans Meer. Gerade geparkt springen die ersten Delphine vor unserem Fenster aus dem Wasser. Direkt vorne am Ufer. Geilo! Felphine in freier Wildfahn! Die Fahrt und das Warten hat sich gelohnt, nur hätten wir die 4h lieber hier verbracht. Selbst der wieder einsetzende Regenschauer stört uns nicht, denn er zaubert einen super Regenbogen über unseren Camper.
Das Licht der untergehenden Sonne nutzen wir zum Üben von Kameraeinstellungen. Das Wasser schillert in gold-gelben Tönen und ein Delphin führt sogar ein Salto vor. Wir sind uns einig, dass dies der neue Nummer 1-Schlafplatz in unserem Ranking ist. Genau wegen solch abgelegener Ort zahlt sich ein eigenes Auto aus.
Am nächsten Morgen sehen wir noch ein paar Rückenflossen und Pelikane, bevor wir uns den Dünenpfad zurückschlängeln, übersetzen und in La Junta unseren Weg auf der Carretera nordwärts vorsetzen. Unerwartet ist die Straße asphaltiert, so dass Timm unsere Reifen schonen will und sie wieder aufpumpt. Bis nach Chaitén wiederholt er das Spielchen vier Mal, da Schotter und Asphalt sich abwechseln. Ein BVB-Kollege leistet ihm Gesellschaft.
Weil die Sonne schon untergegangen ist, stellen wir uns in die Bucht bei Chaitén, anstatt weiterzufahren. Auch hier jagen abends und morgens wieder Delphine nach Futter. Für uns geht’s zum Volcano Chaitén. 2008 ist dieser Berg erwacht und hat Asche gespukt. Bis dahin wusste keiner von seiner Existenz. Man sieht es der umliegenden Gegend noch an, große Waldabstriche sind tot, nicht verbrannt vom Feuer sondern von der Hitze verdörrt.
Drei Stunden, 2,2km und 600 Höhenmeter besagt das Schild für den Aufstieg. Uns kommt es vor als wären Höhen- und Längenmeter vertauscht worden, so steil und anstrengend ist es an manchen Stellen. Auf dem Weg kann man Bimsstein, vielporige, graue Klumpen aus aufgeschäumter Lava und schwarze, glänzende, glasähnliche Steinchen, Obsidian genannt, finden.
Oben bietet sich uns mal ein ganz neues Bild. Der Krater um den eigentlichen Vulkan ist beschreibbar mit einer Mondlandschaft aus grau-roten Felsen und Asche. Der Chaitén qualmt an der Spitze aus mehreren Stellen. Da oben wollen wir am liebsten hoch, aber es gibt keinen Weg und ist verboten, weil es wohl zu gefährlich ist.
So kehren wir um und lassen den Tag in den Termas del Amarillo ausklingen. Von diesen netten, meist natürlichen, heißen Pools warten auf den nächsten 500km nordwärts noch einige auf uns. Morgen warten erst mal das Raftingvergnügen in Futaleufu auf uns. Für Timm wird es das erste Mal sein.
Gar nicht so einfach in der Nebensaison eine Tour zu buchen. Zusammen mit einem französischen Schweizer, der uns anspricht, seiner chilenischen Freundin und vier Jungs aus Barcelona und einem aus Frankreich, die wir ansprechen, klappern wir die Anbieter ab. Marie verhandelt einen Preis von 40 statt 50 Tausend Pesos inkl. Mahlzeit und so starten wir gegen Mittag in einem Kleinbus zur Startstelle.
In Neoprenlatzhose, -schuhen und einer nicht ganz wasserdichten Jacke, bewaffnet mit einem Paddel und verteilt auf zwei Boote schippern wir irgendwann auch endlich los. Marie darf vorne sitzen wegen der Kamera auf dem Helm. Das Wetter ist herrlich sonnig, der Fluss schön blau und gemächlich, zumindest die ersten 10 Minuten, die wir dazu nutzen die erklärten Kommandos zu üben. Dann geht’s auch schon ab, auf die eine Stromschnelle folgt die nächste. Ganz schön schnell und raff. Das Wasser schwappt über den Bootsrand und peitscht nur so in unser Gesicht. Hoch auf die Wellen und runter in die Fluten. Uns macht es riesen Spaß und wir werden ordentlich nass. Bei der dritten Passage streifen wir eng an einem großen Stein vorbei und verlieren unseren Guide. Diese unerwartete Situation haben wir nicht einstudiert. Hilflos schauen wir zu, wir er sich doch recht schnell wieder ins Boot reinhievt und meistern auch die nächsten Wellen. Puh! Wir wechseln die Positionen durch und viel zu schnell ist das Abenteuer dann auch schon vorbei.
Leider können wir nicht mal gegen einen Aufpreis das kleine Stück hinter der Brücke, wo es noch eine 5er-Schnelle gibt, anhängen, weil der Wasserstand zu niedrig ist und die rausguckenden Steine eine Gefahr darstellen können. Schade, aber großartig war’s. Schwierigkeitsgrad 4+ war auch schon mächtig cool. Nach dem gemeinsamen Essen brechen wir auf, schließlich wollen wir es noch über die Grenze schaffen, wo wir die nächsten Tage über Bolson und Bariloche der Ruta 40 folgend ein Stück durch Argentinien fahren werden um, wie gesagt, die Fähren bei Hornopirén zu umgehen.
15.03. – 20.03.2016
wie Immer…… wunderschöne Fotos . Passt auf euch auf…. Kuss