…und die schöne Andenlandschaft –
Nachdem wir uns von der Küste bei Valparaíso auf der chilenischen Seite den Paso de la Cumbre (Pass des Gipfels) in die Anden hochgekämpft haben – was für unseren Brummi ganz schön anstrengend war-, stehen wir elendig lange an der Grenze an. Dank unserer Fahrzeughöhe dürfen wir uns schließlich in die Busreihe stellen, was am Ende dazu führt, dass unser Camper mit all den verbotenen Lebensmitteln gar nicht kontrolliert wird und wir etwas Zeit sparen. Möglichst schnell wollen wir der Höhe und der Kälte entkommen, denn hier oben liegt tatsächlich ein bisschen Schnee. Bei der Puente del Inca müssen wir halten um das Farbenspiel der Natur zu bestaunen. Diese alte Steinbrücke und besonders das von Hochwasser zerstörte Spa darunter leuchtet gelb-orange bis grün-weiß von dem schwefelhaltigen Thermalwasser und Sedimenten. Die Felsen und Bergwände der Umgebung tun ihr bestes um dagegenzuhalten.
Statt der schnellen Verbindung von Uspallata nach Mendoza über die RN 13, wollen wir den alten Weg nehmen, der abenteuerlich sein soll. Nach einer ruhigen Nacht hinter Uspallata, werden wir nicht mal von Vogelgezwitscher geweckt. Die umliegenden Berge und ausgetrockneten Flussbetten erinnern uns verdammt an Oman. Nur die Außentemperatur ist circa 30 Grad kälter. Pfui! Wir finden es trotzdem mega cool. Irgendwo hier wurden auch Teile aus „Sieben Jahre in Tibet“ gedreht.
Langsam windet sich der Weg höher. An der sinkenden Power unseres Autos merken wir, dass wir schon wieder ganz schön hoch sind. Nochmal ein paar Serpentinen-Schlenker links, rechts, links und dann ist der Blick zurück super. Auf der anderen Seite hat man weite Sicht bis zu einem Nebeltal. Während wir dort oben frühstücken, hüllt der Nebel uns ein. Überrascht stellen wir fest, dass wir noch nicht mal die Hälfte bis Mendoza haben. Ohne Sicht macht der Weg nur noch halb so viel Spaß. Unerwartet geht es wieder bergauf, mehrmals hat man die Wahl zwischen steil mit Kurven und ganz steil geradeaus. Wir fahren lieber am Abhang entlang, den längeren, nicht ganz so steilen Weg. Wie tief es runter geht, sieht man wegen Nebel nicht, aber steil ist es und der Weg ist schmal. Oben angekommen wird dann klar, dass es nicht wirklich Nebel ist, sondern eher Wolken. Jetzt sind wir über ihnen und haben Sicht bis zu den schneebedeckten Anden. Coolio!
Leider leuchtet jetzt die Wahnleuchte des DPFs auf. Laut Handbuch muss man jetzt auf die Autobahn und 30 Minuten mit 100 km/h fahren um ihn wieder freizubrennen. Schlecht möglich hier. Im weiteren Verlauf des Pfads kommen mehrere Bachdurchfahrten. Einziges wirkliches Hindernis ist ein zu tief hängendes Stromkabel, das wir aber mit Hilfe meiner Wanderstöcke hochgehalten bekommen. Puh, den ganzen Weg zurück, wäre doof gewesen.
Also weiter, noch ein letztes Mal zieht die Steigung an, dann erreichen wir den letzten Höhepunkt und haben eine fantastische Sicht ins Tal von Mendoza. Nur der Pfad darunter sieht schon von oben übel aus. Was dann kommt, dürfen wir eigentlich nicht unseren Müttern erzählen, aber wie man sieht, können wir lebend davon berichten und unserem Camper ist auch nix passiert.
Es ist steil. Es ist eng. Der Abgrund ist tief. Es ist eine Vielfache Steigerung von holperig. Und Timm sagt an mindestens zwei Stellen: „Hier ist Ende!“ Aber gemeinsam schaffen wir es. In Millimeterarbeit geht es um enge Kurven und mit Handarbeit und Schaufel mindern wir das Gefälle, damit wir nicht umkippen. Geschafft. Ein paar Kurven weiter warten schon ein paar schaulustige Motorcrossfahrer auf uns. Sie glauben wohl nicht, dass wir diese steile Steinwand inmitten einer Kurve packen, rufen uns aber motivierend zu: „no fear, no fear!“. Der rechte Vorderreifen fährt exakt am Abhang lang. Aus dem Führerhaus sieht man nichts. Ich lotse Timm Millimeter für Millimeter vorwärts. Auch das gemeistert. Die Motor-Jungs freuen sich mit uns und preschen davon. Hoffentlich warten sie nicht noch mal. Wahrscheinlich sind die Zweiradfahrer die einzigen, die diese Straße noch nutzen. Insgesamt wirklich die abenteuerlichste Strecke, die wir bisher gefahren sind – und Oman war auch nicht ohne! Aussicht und Andenkulissen waren die Anspannung wert und wir freuen uns einmal mehr unser eigenes Gefährt mitgebracht zu haben.
Schweiß gebadet und erschöpft von der Anspannung erreichen wir zwei Stunden später Mendoza, eine Stadt mit breiten Alleen und großen, grünen Plazas. Das DPF-Problem erledigt sich, indem Timm mit 60 km/h durch die Stadt pest. Zum Abendessen geht’s in ein Parrilla-Restaurant, immer in der Hoffnung ein annähernd geiles Steak serviert zu bekommen wie in Bariloche. Das Fleisch ist lecker, aber kommt nicht ran. Zum Schlafen stellen wir uns in den San Martin Parque. Autos cruisen lautstark umher, bis wir gegen 3 Uhr von der Polizei vertrieben werden, weil es mal wieder nicht sicher sein soll. Wir hassen Städte. Zumindest zum Campen. Deswegen machen wir auch kurzen Prozess und suchen nicht nach Alternativen, sondern fahren raus, von wo wir herkamen. Dauert zwar, aber Einsamkeit und Ruhe belohnen die Nachtaktion.
Bewaffnet mit einer Karte der drei Weinregionen, Maipu, Luján de Cuyo und Valle de Uco, und den gekennzeichneten Weingütern machen wir uns auf den Weg zu einem davon. Timm sucht willkürlich Clos de Chacras aus. Wir haben Glück und sie bieten uns eine Tour auch ohne Reservierung an. Das Mittagsmenü klingt auch super, aber wir sind noch satt von Super Panchos, überdimensionalen Hot Dogs, und nehmen nur die Tour mit Weinverköstigung. Die Winzerei ist verhältnismäßig winzig. 18.000l werden hier pro Jahr hergestellt. Die Besitzer haben 2004 eine alte Kellerei wieder auf Vordermann gebracht und restauriert. Wir hören einiges zu der Geschichte und dass bei Erbauung der Gebäude Argentinien ein pro Kopfkonsum von 100 Litern Wein im Jahr hatte. Wusch! Die Qualität von damals hatte allerdings nichts mit der heutigen zu tun: Traubensorten wurden gemischt und der Wein weder gefiltert noch bewusst lange gelagert. Der Prozess von der Auslese über das Brechen der Kappe bis zum Etikettieren wird ausführlich erklärt und gezeigt und findet hier alles in Handarbeit statt.
Ebenso gut gefällt uns das anschließende Testen der Weine. Da wir nur zu Zweit sind nimmt sie sich viel Zeit und erklärt zunächst einmal das Vorgehen bei einer Weinverköstung. Wir lernen, wie man Unterschiede sehen, riechen und schmecken kann. Irre, wenn man sich damit zuvor nie beschäftigt hat. Die Weine haben intensive Aromen, aber hauen uns geschmacklich am Ende nicht um.
Insgesamt sind wir von der Besichtigung aber so begeistert, dass wir gerne noch ein Weingut besuchen möchten. Man empfiehlt uns drei größere, industrielle Güter. Da der 1. Mai auch hier ein Feiertag ist, wollen wir morgen in den Cañon de Atuel und erst Montag wieder Wein probieren. Wir befinden uns mal wieder auf der Ruta 40 und fahren, bis es dunkel wird. Hinter San Carlos finden wir ein ruhiges Plätzchen und starten von einem farbintensiven Sonnenaufgang geweckt schon früh.
Cańón del Atuel
In San Rafael biegen wir in das Rio Atuel-Tal ab. Der Fluss führt wenig Wasser, aber seine Ufer sind üpig grün. Links und rechts wachsen die teilweise vulkanisch geprägten Felsen an, je tiefer wir in das Tal reinfahren.
Nach der Überquerung einer Staumauer geht es die Klippe hoch mit Blick auf den riesigen Embalse Valle Grande. Mit der Insel in der Mitte des Reservoirs einfach schön… Im weiteren Verlauf passieren wir drei weitere Wasserkraftwerke bevor wir El Nihuil erreichen.
Weiter geht’s mit spektakulären Abfahrten, weiteren Felsformationen aus buntem Gestein und hübschen Canyons. Die Formationen regen unsere Phantasie an und wir sehen Figuren und lauter Penise darin. Ich find’s witzig, Timm ist mit seinen 31 Jahren zu alt dafür.
Die Prospektbilder eines Touranbieters verleiten uns dazu auf der 180 gen Süden zu fahren um die über 800 Vulkanhügel im Reserva Provincial La Payunia zu sehen. Nach 130km durch Pampa und Steppe erreichen wir den Park. Die Ranger lassen uns neben ihrer Hütte schlafen, sind aber nicht sehr hilfreich, was Wegbeschreibung angeht.
Ein Blick aus dem Fenster lohnt das früher Aufstehen nicht. Mit 40-60kmh und immer der gleichen Kulisse fahren wir den empfohlenen Weg zu dem Vulkan Malacara, der sich ganz toll in den Wolken versteckt, kein Foto wert ist und absolut nichts mit der erhofften Pampa Negra von dem Prospektbild zu tun hat. Ohne Internet und Menschen, die man fragen kann, sind wir aufgeschmissen. Frustriert geht’s über Malargüe schließlich nach San Carlos. In der Nähe befindet sich das industrielle Weingut Zuccari, eine Empfehlung der anderen Winzerei. Ein super schickes Gelände mit akkuraten Grünflächen und architektonisch-modernem Gebäude. Tor und Tür sind zwar offen und wir erhaschen einen Blick ins Innere, doch leider sind Touren nur von Mittwoch bis Sonntag. Schade! Heute läuft’s einfach nicht. Bei Regen erreichen wir den gewählten Schlafplatz. Ein Tag mit viel Fahrerei und wenig Sehenswertem, vom Wetter ganz zu Schweigen.
In den neuen Tag starten wir bei dichtem Nebel und fahren quer durch Valle de Uco an zahlreichen Weinstöcken und -gütern vorbei. Gegen Mittag kommen wir nach Luján de Cuyo und entscheiden uns für das Weingut Dominio del Plata. Für umgerechnet 30€ serviert man uns ein hervorragendes 3-Gänge Menü mit den passenden Weinen, die uns auch deutlich besser schmecken als die anderen und super zu den einfallsreichen Gerichten harmonieren. Diesmal kaufen wir sogar eine Flasche von dem Leckersten. Die anschließende Führung ist dafür um einiges schlechter als die letzte: kurzer Blick in den Raum mit den riesen Metalltanks, zwei, drei Sätze zu der Gründerin, kurzer Blick in den Raum mit den 200 Fässern, fertig. Naja, Essen und Wein haben sich gelohnt.
Leicht beschwipst geht’s von dort die Ruta 7 nach Uspallata und dann wieder Richtung Grenze. Da diese um 20 Uhr schließt und wir uns den Stress und erneutes Fahren bei Dunkelheit sparen wollen, bleiben wir bei 2200Hm zum Übernachten.
So haben wir auch die Gelegenheit am nächsten Morgen noch den Cerro Aconcagua (6962m), Südamerikas höchsten Berg anzuschauen. Leider macht uns der Nebel einen Strich durch die Rechnung, weswegen wir uns auch die Fahrt zu Christus Statue sparen, von wo der Ausblick fabelhaft sein soll. Also am Paso Internacional Los Libertadores, wie dieser Grenzübergang auch genannt wird, wieder die üblichen Formalitäten, die dieses Mal so kompliziert wie noch nie ablaufen, weil die Menschen dort Schwierigkeiten beim Denken haben.
(28.04. – 04.05.2016)