… und seine UNESCO-Kirchen –
Von Puerto Varas starten wir immer weiter auf der Ruta 5 nach Süden bis nach Pargua, wo wir mit der Fähre nach Chacao, Chiloé übersetzen. Chiloé ist die zweitgrößte Insel Chiles und fast immer in Nebel gehüllt. Über Ancud geht’s zur Westküste der Insel und dann am Strand entlang bis Puñihuil. Auf ein paar Felsen vor der Küste leben Pinguine, was uns aber keine Bootstour wert ist, schließlich waren wir an der Ostküste Argentiniens schon auf Streichelnähe an den kleinen Männchen im Frack dran.
Auf der Peninsula Lacuy im Nordosten von Chiloe finden wir eine kleine, einsame Bucht mit Blick auf die Lichter Ancuds. Der strömende Regen am Morgen hält uns nicht davon ab kurz zum Fuerte Ahui hochzulaufen. Zurück in Ancud verschaffen wir uns im Museum … einen Überblick über die Kirchen Chiloés. Das Besondere an den Gotteshäusern hier ist, dass sie komplett aus Holz gebaut wurden. Die Technik wird im Museum erklärt und Modelle der 16 von der UNESCO geschützten Kirchen sind ausgestellt. Auf der Ruta 5 weiter gen Süden spotten wir in Castro den Wohnwagen von Thomas, den wir aus Coyhaique kennen. Irgendwie hatte ich damit gerechnet ihn ausgerechnet auf Chiloé wieder zu treffen, weil er hier die markanten Kirchen fotografieren wollte. Er hat uns auch gesehen und wir verquatschen uns, dass es dunkel ist, als wir an der Kirche Castros vorbei weiter fahren.
Morgen wollen wir in den Parque Tantauco, eine Empfehlung von Jeff und Monica. Bis zum Lago Natri schaffen wir es, dort schlafen wir bei einem Froschkonzert ein. Für unsere Verhältnisse starten wir früh. Der See ist in Nebel gehüllt und es ist ganz schön kalt.
Die letzten 50km zum Park sind heftig hubbelig. Als wir da sind, suchen wir uns mit den Senderos Los Ñirres und Bosque Hundido die längste Tageswanderung aus. Gerne wären wir bis Inio, die Küste im Süden, gelaufen, wo die Chance auf Blauwale riesig ist, aber leider können wir die acht Tage hin und zurück mangels Zelt nicht in Angriff nehmen. Der Park hat floramäßig nicht viel Außergewöhnliches zu bieten, aber mit etwas Glück werden wir Darwinfüchse, Darwinfrösche und sogar endlich ein Pudu, mit 50cm das kleinste Reh der Welt, sehen. Zwei Stunden laufen wir durch das Grün, sehen tote Bäume und frisch gepflanzte aus Regenerierungsprogrammen, kreuzen mehrere Bäche und Seeufer und erreichen dann schließlich dichten Regenwald. Völlig wild wie so unterschiedliche Landschaft so eng beieinander liegen kann. Bis auf zwei Vögel sehen wir nix von der Tierwelt. Nach einer nach 5 Tagen überfälligen Dusche auf dem dortigen Campingplatz, statten wir noch dem Grande Arbol einen Besuch ab, bevor es über die Rumpelpiste zurück geht und dann nach Quellón, zum südlichsten Teil der Insel. Hier ist auch der Anfang oder das Ende, wie man will, der Ruta 5 und damit der Panamericana. Bis nach Alaska sind es mehr als 21.000 km.
Weil wir nix besseres finden, fahren wir zurück zum Lago Natri und verbringen eine weitere Nacht dort. Der Nebel am nächsten Morgen ist noch dichter als vor zwei Tagen. Ansonsten scheint das Wetter ab endlich besser zu werden.
Heute starten wir die Kirchenbesichtigung. Los geht’s mit der in Chonchi. Von dort schippern wir mit einer Fähre rüber zur Insel Lemuy, wo sich drei kleine, ziemlich farblose UNESCO-Kirchen in Detif, Aldachildo und Ichuac befinden. Viel schöner ist eigentlich eine andere in San Agustin.
Zurück auf Chiloé schauen wir uns Vilupulli und Nercón entlang der Panamericana an, bevor wir nochmal nach Castro reinfahren, um die dortige auch bei Tageslicht zu sehen. Sie ist mit Abstand die bunteste, doch der Schein trügt. Wenn man nah rangeht, sieht man, dass die Holzfassade komplett mit einer Art Tapetenfliesen beklebt ist. Voll die Verarsche!
Nächster Stopp ist Dalcahue. Wie bei all ihren Vorgängerinnen haben wir beim Fotografieren mit dem Gegenlicht zu kämpfen. Damit reicht es uns auch für heute mit Kirchen. In Dalcahue besuchen wir noch den Handwerksmarkt und die Cocinas. Dort gibt es unter anderen inseltypischen Spezialitäten den Curanto. Das ist ein Eintopf bestehend aus Fleisch, Wurst, Mies- und Venusmuscheln und Kartoffeln. Traditionell wird er in einem mit großen Blättern und heißen Steinen ausgelegten Erdloch gekocht. So richtig trauen wir uns noch nicht ran und greifen auf gefüllte Kartoffelfladen und Kuchen zurück.
Von Dalcahue fahren wir zurück nach Castro und schauen uns dieses Mal die Pfahlbauten etwas genauer an. Die kleinen bunten Häusschen haben ihren Eingang an der Straße und die Rückseite steht auf Pfählen im Wasser oder bei Ebbe im Schlamm. Eine Legende besagt, dass die böse Meeresschlange Caicavilú den Meeresspiegel anhob, um Chiloé zu überschwemmen und zu ihrem Königreich zu machen. Doch die gute Schlange Tentevilú ließ Hügel wachsen, worauf sich die Bewohner retten konnten. So soll die Insel entstanden sein und wegen der Überschwemmung bauten die Chiloten ihre Häuser auf Pfählen.
Wir steuern den Nationalpark Chiloés bei Cucao an der Westküste an. Ein ewig langer, schöner Sandstrand lädt zum Verweilen ein. Nur Wind und Kälte machen einen Strich durch die Rechnung, sodass wir heute mal nicht Schwimmen gehen und uns zum Schlafen hinter die Dünen verdrücken.
Brr, ist es kalt am Morgen und zudem auch wieder ganz schön feucht an den Kabinenwänden. Ein paar Kilometer südlich wächst der Strand langsam zu Klippen an. Unser Ziel ist Punta Pirulil und Muelle de las Almas, der Steg der Seelen. Der Weg dorthin zieht sich. Vor jedem Hügel denkt man, das ist der Letzte, von da oben muss man den Steg sehen. Nach dem fünften oder so ist es endlich soweit. Echt cool, wie dieser einsame, leicht gewundene Steg da unten von einem grünen Hügel ins Nichts reicht.
Die Geschichte dahinter beginnt bei den Mapuche, einer alten Ureinwohner-Kultur Chiles. Sie glaubten daran, dass die Seelen der Verstorben hier zur Punta Pirulil kamen um von einem Bootsmann namens Tempilcahue in seinem weißen Boot abgeholt und „ans andere Ufer“ gebracht zu werden, wo ihre Seelen im Paradies ihre letzte Ruhe finden würden. Doch nicht jeder konnte den Fährmann bezahlen und so kann man noch heute die nicht abgeholten Seelen in dieser Bucht schreien hören, verdammt dazu für immer in der irdischen Welt zu bleiben und zu leiden. Der Steg wurde zur Anerkennung der Kultur und des Glaubens und als Andenken an die nicht abgeholten Seelen gebaut. An den Klippen darunter tummeln sich auch mal wieder ein paar Seelöwen. Zurück zum Auto ist ohne Frühstück ganz schön Kräfte raubend, aber es hat uns gut gefallen.
Bereit für noch ein paar Kirchen, fahren wir zum vierten Mal durch Castro nach Tenaún. Schon auf Bildern gefiel uns diese Kirche am besten und so wollen wir auch mal eine von Innen besichtigen. Die „Schlüsselwächterin“ wohnt gegenüber, kommt aber nur gegen ein entsprechendes Propina mit. Man sieht, dass das Gebäude erst kürzlich renoviert wurde, aber noch immer sind Säulen, Nägel, einfach alles nur aus Holz.
San Antonio de Colo ist dann wirklich die letzte, dir wir uns anschauen. Damit hätten wir 10 der 16 UNESCO-Kirchen geschafft plus die unzähligen anderen am Wegesrand von den insgesamt über 150. In Quemchi stoppen wir noch für die berühmten Fischerboote, die bei Ebbe alle gestrandet rumliegen, bevor wir in Ancud das schnelle Internet der Tourinfo nutzen.
Marie hat seit zwei Wochen eine Art Ausschlag auf der Wange. Form und Farbe könnten laut Internet auf Borreliose hindeuten. Das wollen wir Puerto Montt besser abchecken. Auch stellt sich leider heraus, dass wir mit zuviel Öl rumfahren. , Das müssen wir auf dem Festland schnellstens rückgängig machen. Doch wir können die Insel nicht verlassen ohne das Highlight der chilotischen Küche zumindest probiert zu haben. Wir wählen ein Restaurant mit Schild „hoy curanto“ davor aus, nachdem die erste Wahl leider geschlossen hat. Halb 9 ist zwar noch früh, aber wir sind die einzigen Gäste. Timm bestellt den bunten Eintopf, Marie nimmt lieber nur Fisch. Ich bin längst fertig mit meinem Tiefkühlfisch, als Timms Eintopf endlich kommt. Serviert werden die ganzen Zutaten in einem Netz, was dafür sorgt, dass bei den riesigen Mengen, die davon gekocht werden, jeder die gleiche Anzahl Muscheln und von allem etwas bekommt. Die ersten Muscheln schmecken, alles andere ist leider noch halb gefroren. Mit frisch hat das also auch nix zu tun. Gefrorenes ist nun wirklich nicht essbar, so dass das Essen erstmal zurück geht. Mittlerweile ist es 10 Uhr und wir sind immer noch die einzigen. Während wir noch eine weitere halbe Stunde auf den zweiten Versuch warten, vergeht Timm die Lust auf das Aufgetaute und wir zahlen. Der Wirt erlässt uns freundlicherweise 50 Cent von den zu zahlenden 15 Euro für das quasi nicht genießbare Essen. Ein Totalreinfall kann man sagen. Schlafen an den Klippen, Morgenlauf am Strand, Dusche an der Tanke, Skypen mit Zuhause und dann verlassen wir die mystische Insel Chiloé mit dem Ziel Wandern im Valle Rio Cochamo.
29.03. – 03.04.2016