…sind würdige Abstecher von der Ruta 40 –
Der Weg vom Perito Moreno nach El Chaltén ist traumhaft. Gold-gelb leuchtende Ebenen mit abwechslungsreicher Topographie, die Seen und Flüsse glitzern türkis und am Horizont schneebedeckte Berge. Wie unglaublich schön und unberührt die Natur hier ist, bis auf die Ruta 40 und Zäune nix, was auf Zivilisation hindeutet.
Auch wenn wir nicht 100% überzeugt davon sind, dass wir es wirklich wollen, wandern wir am Samstag zur Laguna de los Tres, von wo aus man einen super Ausblick auf den 3405m hohen Fitz Roy haben soll. Das Wetter ist gut und es sind auch nur 4h, 750 Höhenmeter und 10km. Hin allerdings nur. Sollte trotzdem klar gehen, auch wenn die ersten Meter wieder nichts als Schmerzen bereiten. Der Weg ist meistens sandig und mit Wurzeln, nicht zu steil und führt hauptsächlich durch Wald. Der erste Mirador ist schon großartig und sieht vielversprechend aus.
Der Himmel ist blau und die paar Quellwolken, die hinter dem Fitz Roy aufsteigen, lassen ihn wie einen Schornstein erscheinen, der weißen Qualm rauspustet. Nur der letzte Kilometer ist übel. Kies, Steine, Geröll und dazu noch steil und natürlich wieder windig. Wind nervt. Bergauf, Sonne, schwitzen, ausziehen. Bergab, Wind, nasse Klamotten, anziehen. Während man so wandert, hat jeder mal ne Phase, wo man keinen Bock mehr hat, sich die Wut auf die schmerzenden Füße und den steilen Weg anstaut, entgegenkommende, grüßende Wandere nur noch nerven und man zunehmend aggressiv reagiert. In so einem Moment das falsche Wort im falschen Ton, darauf eine patzige Reaktion, Streit. Der Blick oben entschädigt für die Strapazen der letzten Stunde und wir reden immerhin wieder miteinander. Der massive Berg mit ein bisschen Schnee, davor die türkise Lagune. Nice!
Der Rückweg ist immer ätzend. Während man auf dem Hinweg noch ein attraktives Ziel hat, etwas, worauf man sich freuen kann und dieses zudem häufig von Weitem schon erahnen kann, die Landschaft Abwechslung bietet und man sich in einer erwartungsvollen, gespannten Stimmung befindet, ist der Rückweg langweilig. Alles schon gesehen, den Berg im Rücken, leckeres Proviant verspeist, kein Bock mehr. Aber es gibt auch Positives: Der Rucksack ist leichter und es geht bergab. Außerdem legen wir heute zwei super Stopps ein, machen einen kleinen Mittagsschlaf auf einem großen, dunklen, warmen Stein am plätschernden Fluss und erfrischen unsere Füße in der eisigen Laguna Capri. Das beste am Rückweg ist aber immer, wenn der Camper in Sicht kommt. Dann kommt Freude auf, bald Schuhe ausziehen, essen, zuhause.
Auch nach einem Tag Pause mit den üblichen ToDos, Wäsche waschen, Kuchen backen, Fotos sortieren, haben wir keine Lust auf den anderen Hike zur Laguna de Torres mit Blick auf den Cerro Torres. Langsam reicht’s uns nämlich mit diesem Gewandere. Wir ziehen weiter.
Die Ruta 40 hat hier einen üblen 70km-Abschnitt mit Schotter, Wellblech und Schlaglöchern. Man kommt nicht voran. Nach der Hälfte wird es dunkel und wir probieren die erste Abzweigung. Außerdem brauchen wir eine Pause von dem Geschüttel. Der Zufall meint es gut mit uns, wir landen in einer Stein-/Sandgrube und stehen windstill. Eine Oase im windigen Patagonien. In dieser Einöde ohne Stadtlichter kommt auch die schier unendliche und unglaublich schwarze Sternenkuppel bestens zur Geltung. Als ich früh morgens wach werden und das Rollo öffne, trau ich meinen Augen kaum, aber der Himmel brennt. Dafür wecke ich Timm. Wir machen Schnick-Schnack-Schnuck, wer rausgeht und ein Foto macht, weil es arschkalt ist außerhalb des Schlafsacks. Timm verliert zwar, aber Marie will diese glühende Wolkenpracht auch vom oberen Rand der Grube anschauen. Definitiv der beste Sonnenaufgang meines Lebens. Wobei man als Spätaufsteher natürlich auch die meisten verpasst.
Das Lila schwindet, Rot wird zu Orange, als die Sonne aufgeht, dominiert Gelb die Farben und als wir weiterfahren, sind die Wolken wieder weiß und der Farbenzauber ist vorbei. Heute heißt es Meter machen. Kurz bevor wir wieder auf die asphaltierte Straße kommen, frühstücken wir am Flussufer und fahren dann bis zur nächsten Dorftanke. Der Diesel wird gerade aufgefüllt. Wir warten ne halbe Stunde und tanken dann zum 1,5-fachen Preis.
Für einen Abstecher von ca. 50km verlassen wir die Ruta 40, um die Cueva de los Manos zu besuchen. Der Weg führt zum Canyon des Río Pinturas. Da Touris unbeaufsichtigt alles kaputt machen, gibt es nur noch geführte Touren zu der Höhle der Hände. Vor 9000 bis 1300 Jahren kamen hier Nomaden zum Überwintern hin, weil der Canyon und die Höhle durch ihre Ausrichtung meistens windgeschützt sind, es nur sehr wenig regnet und 10 Grad wärmer ist als sonst in dieser Region.
Diese super Witterungsverhältnisse haben auch dafür gesorgt, dass an diesem Ort die Höhlenmalereien so gut erhalten geblieben sind. Um die 800 Hände hat man hier gezählt, über 10.000 in der Region. Fast alle sind Negativabdrücke, die mit natürlich hergestellter Farbe aus dem Mund durch ein Rohr an die Wand gepustet wurden. Mehr als 90% sind linke Hände, was daran liegen könnte, dass mit der rechten Hand das Röhrchen gehalten wurde. Eine Hand hat sechs Finger.
Die Farbe wurde aus Mineralpigmenten und Tierfett, meist von Guanacos, gemixt. Neben den Händen gibt es auch Zeichnungen von Guanacos. Ein Anordnung erklärt wohl möglich den Jagdvorgang. Auf das Guanaco wurden, nachdem es von den Jägern eingekreist wurde, Steine an Seilen geschleudert. Neuere Zeichnungen könnten Trommelstöcke sein, die auf einer Trommel Musik spielen, zu der ein Strichmännchen tanzt. Ein kleiner Kreis in einem großen Kreis wird interpretiert, als Stein, der ins Wasser geworfen wurde und kreisförmige Wellen hinterlässt. Etwas sehr weit hergeholt, wie ich finde. Ansonsten finden wir den kurzen Geschichtsexkurs sehr interessant und man kann sich ein bisschen vorstellen, wie es damals wohl war.
Auf dem Rückweg zur 40 fahren wir durch den Canyon, steil runter und steil hoch. Muss ganz schön schuften unser Kleiner. Durch die Stadt Perito Moreno, entlang des Lago Buenos Aires erreichen wir Los Antiguos. Hier gehen wir essen um Internet nutzen zu können. Morgen früh wollen wir über die Grenze nach Chile und auf der Bilderbuchstraße entlang des Lago Gral. Carrera fahren.
04.03. – 07.03.2016