Das Schiff kommt…

Das Schiff kommt…

… und wir meistern den komplizierten Prozess der Fahrzeugauslösung mit Bravour –

Nach dem holprigen Beginn warten wir bei Seba also auf das Schiff. Ursprünglich geplantes Ankunftsdatum in Montevideo war der 03.01.16. Das hätte super mit unserer Ankunft am 31.12.15 (bzw. 02.01.16) gepasst. Doch leider ist es eben ein Cargoschiff und kein Kreuzfahrtschiff und so war schon Mitte Dezember das neue Datum der 18.01.16, weil durch Routenänderung noch drei weitere Häfen angefahren werden.

Seit Abgabe des Campers im Hamburger Hafen überprüfen wir die ca. einmal pro Woche aktualisierten Fahrpläne von Grimaldi und verfolgen die Route der Grande Nigeria live per GPS über vesselfinder.com. Die Abstände, mit der wir die Seiten aktualisieren, wurden täglich kürzer.

Die ersten Tage in Südamerika sind bereits rum, als am 06.01. dann überraschend der 13.01. im aktualisierten Fahrplan stand. Wir haben uns maximal gefreut.

Endlich der 13.01. Heute soll das Schiff kommen. ETA (estimated time of arrival) ist für 23 Uhr geplant. Halbstündlich aktualisieren wir die Position der Grande Nigeria, doch sie will einfach nicht den Anlageplatz in Zarate (Frachthafen von Buenos Aires) verlassen. 300 km über den Rio de la Plata (Silberfluss) trennen uns noch von unserem Camper. Als um 23 Uhr immer noch keine Veränderung erkennbar ist, geht Marie enttäuscht schlafen. Timm hält bis 2 durch.

Erste Tat am nächsten Morgen ist natürlich der GPS-Check. Und tatsächlich. Sie kommt! Neuer Zielhafen: Montevideo. ETA: 15 Uhr Ortszeit. Wir sind beide heftig aufgeregt.
Marie geht ne Runde am Hafengelände entlang laufen um die freien Liegeplätze auszuchecken. Dieses blöde MSC-Containerschiff soll mal wegfahren. Da wäre perfekt.
Gegen Mittag nährt sich die Grande Nigeria mit ca. 9 Knoten. Mit Kamera und Fernglas bewaffnet steigen wir auf’s Dach und beobachten die Einfahrt. Für viele sicher langweilig, für uns maximal spannend und aufregend.

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Als sie ihre endgültige Parkposition erreicht hat, laufen wir mit Mischa bis zum Zaun des Hafengeländes und beobachten, wie die Container abgeladen werden und zahlreiche Neuwagen aus dem Bug fahren. Wir hoffen, einen Blick auf unseren Camper zu erhaschen, um sicher zu sein, dass die nicht vergessen ihn abzuladen und hoffentlich keine Einbruchspuren erkennen zu müssen. Da wir den Anfang verpasst haben, wissen wir nicht, ob er noch kommt oder schon irgendwo im Hafen steht. Nach einer Stunde halten wir es in der Sonne nicht mehr aus. Jetzt heißt es den morgigen Tag abwarten.

Zum ersten Mal seit Wochen werden wir vom Wecker geweckt. Das Programm für heute ist straff. Ziel: Auto aus dem Hafen holen.
Erste Station ist die Versicherungsagentur. In den Mercusur-Staaten ist man verpflichtet eine Haftpflichtversicherung für das Auto zu haben. Ohne bekommen wir unseren Camper auch garnicht ausgelöst. Seba bringt uns dorthin und übersetzt. Die Bedingungen sind alles andere als Deutsch. Im Worst Case sind max. 40.000 US$ pro geschädigter Person und 200.000 US$ pro Unfall versichert. Naja, es darf halt einfach nichts passieren.

Dann geht die eigentliche Prozedur los. Seabridge, die Versicherungsagentur, hat uns dafür einen Agenten empfohlen, der die Abläufe kennt und sowohl Spanisch als auch Englisch spricht. Im Internet haben wir ein paar hilfreiche Infos von Reisenden gefunden, die es ohne Hilfe geschafft haben. Also versuchen wir es erstmal selbst und sparen vielleicht die Kohle. Insgesamt neun Büros, Ämter und Verwaltungen gilt es abzuarbeiten. Mehrmals müssen wir blechen für Zoll, Hafengebühr usw. Als hätten wir nicht schon genug für die Verschiffung bezahlt. Aber gut, nichts womit wir nicht gerechnet haben, nur teilweise 20% teurer als in alten Berichten von vor nem halben Jahr. Krasse Inflation. Mit ein bisschen Raffinesse sparen wir aber auch bei einem Posten, indem wir den Wert unseres Campers etwas, aber auch wirklich nur etwas, geringer beziffern, als das, was er tatsächlich gekostet hat. Ein ganz kleines bisschen weniger macht viel aus. Wir fallen in eine andere Kategorie und zahlen nur 1/3. Hihi, manchmal hat man halt auch mal Glück. Wir sind aber zu allen auch immer mega freundlich, por favour (bitte), gracias (danke), muchas gracias (vielen Dank), perdon, no hablo español (Entschuldigung, ich spreche kein Spanisch) und teilen brav unsere Kaugummis.
Immer öfter führen die Angestellten in den besuchten Büros seltsame Telefongespräche. Mehrmals haben wir das Gefühl, mit unserem Camper stimmt was nicht. Beschädigt? Aufgebrochen? Oder machen die das hier zum ersten Mal? Aber gut, wir verstehen auch quasi nix, außer wenn sie sehr langsam reden und uns versuchen den Weg zum nächsten oficina (Büro) zu erklären. Am geilsten war die Erklärung für „bomberos“, als der Mann pantomimisch in den Armen ein Luftgewehr zu halten scheint, mit dem er rumschießt und dazu „dschschsch“ Geräusche macht. Erst als sein Kollege „fire“ ruft und ich parallel bomberos (Feuerwehr) nachgeschlagen habe, checken wir, was er meint. Ab und an treffen wir auf drei weitere Pärchen, zwei davon mit Kind. Wir alle haben das gleiche Ziel und helfen uns gegenseitig. Gegen 16 Uhr ist es dann soweit. Wir bekommen unseren Schlüssel ausgehändigt. Und da schießen uns schon wieder die quälenden Fragen in den Kopf: Wird alles heile sein? Wurde eingebrochen? Was würde geklaut? Jetzt kommt es drauf an. Hinter zwei weiteren Containerreihen entdecken wir ihn.

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Auf den ersten Blick wirkt alles top. Kabine aufschließen und dann die riesengroße Erleichterung. Kein Chaos! Alles noch so wie bei Abgabe in Hamburg. Nur ein fürchterlicher Gestank nach Kleber und Farbe. Bei den 45 Grad im Inneren auch kein Wunder. Das neue Material dünstet halt noch aus. Endlich haben wir ihn wieder. Wir freuen uns wie kleine Kinder. Vor lauter Euphorie kann es Timm an der Schranke nicht schnell genug gehen. Ticket ziehen und durchfah…, „!!WARTEST DU BITTE!!“ schreit Marie mit ansteigender Lautstärke. Erschrocken bremst Timm in letzter Sekunde. Mit etwas über 3 Metern Höhe, muss man halt warten, bis die Schranke ganz oben ist. Hoffentlich prägt sich das in sein Hirn möglichst bald ein Unserem Camper wäre wohl nicht so viel passiert, aber die Schranke wär ab. Wie peinlich, 7h nach Abschluss der Versicherung da wieder anzutanzen mit dem ersten Schaden. Glück gehabt!
Letzte Einreisekontrolle: Nein, wir führen no comida y cerveza (kein Essen und Bier) ein und haben auch solo cuatro y una más debajo (nur vier und einen weiteren darunter) Reifen (Kreisform in der Luft). Kurzer Blick in die Kabine und wir bekommen die Ausfahrtgenehmigung aus dem Hafen und die Ausreisegenehmigung aus Uruguay, die wir später an der Grenze brauchen. Endlich. Wir haben ihn. Alles ist optimal gelaufen, wir insgesamt ca. 7 km, zwei Stationen hätten wir uns sparen können und es hat auch „nur“ sieben Stunden gedauert. Jetzt kann es bald richtig losgehen. Noch Abschied von Montevideo nehmen und dann den Camper startklar machen und reisen.
Ein detaillierter Bericht über den Prozess der Auslösung des Fahrzeugs ist unter Verschiffung RoRo zu finden.

13.01. – 15.01.16